CELLULOID

OPAS PLASTIK: MADE IN LANK

von Franz-Josef Radmacher

(geschrieben 1987)

 

Als vor vier Jahren die Lanker Celluloidfabrik endgültig ihre Produktion einstellte, gingen auch 90 Jahre Industriegeschichte in Lank-Latum zu Ende. Für Lank waren die  Westdeutschen Celluloidwerke der einzige nennenswerte Industriebetrieb, über drei Generationen für viele Lanker Männer und noch mehr Frauen der Arbeitsplatz. Bis zu 400 Arbeiterinnen und Arbeiter waren in den  besten Zeiten an der Rheinstraße beschäftigt, zuletzt waren es noch etwa 50.

Das Ende der Celluloidproduktion war aber gleichzeitig auch das Aus für die  Produktion dieses Kunststoffs in Deutschland. Nur im Ausland (England und Italien) gibt es noch  wenige Produktionsstätten. Der Stoff Celluloid gilt der älteste Kunststoff, der industriell hergestellt und vielseitig nutzbar gemacht wurde. Nachdem 1869 in Newark/USA ein für die Massenproduktion geeignetes  Herstellungsverfahren entwickelt worden war, entstanden auch in Deutschland erste Produktionsstätten.

Für die Herstellung werden zwar noch Naturstoffe verwendet, doch ergibt die Mischung ans Cellulosenitrat, das aus Baumwolle gewonnen wird, mit dem Weichmacher Kampfer einen  thermoplastischen Kunststoff, der bei ca. 80ºC plastisch wird und dann in alle möglichen Formen gepresst werden kann. In Lank wurden mehr als 2000 verschiedene Produkte hergestellt, natürlich nicht alle zu  gleicher Zeit. Durch Farbzusätze entstanden alle gewünschten Farbtöne, vielfach modischer Art. Die Produktpalette reichte vom Haarschmuck über Kämme, Akkordeontasten, Kragenstäbchen bis zur "klerikalen  Dauerwäsche", d. h. Priesterkragen und Teile von Nonnenhauben. Daneben wurden früher auch viele technische Zubehörteile für die Kraftfahrzeug und Elektroindustrie hergestellt.

 

Von der Rheinstraße aus gingen einst die Celluloidprodukte unter dem Markennamen

            "LANCOS"    in alle Welt.

 

Celluloid war eigentlich ein sehr vielseitiger Kunststoff; er hatte nur einen Nachteil, dass er brennbar war. Die Lanker Feuerwehr und die Belegschaft konnten ein Lied davon  singen. Heute haben ungefährliche Ersatzprodukte das Celluloid verdrängt. Die Anzahl der Plaste ist Legion. Wer kennt noch Celluloid ?

Im Jahre 1894 begann die Fa. E. Degraide & Cie. die Produktion in Lank in den Räumen und auf dem Gelände, wo vorher die mechanische Samtfabrik Samuel Müller & Cie. ihr  Domizil hatte. Zunächst als KG gegründet, mit den persönlich haftenden Gesellschaftern Emil Degraide und Fritz Lechner, sowie den Kommanditisten August Treckman und Karl Knoops, alle aus Krefeld, wurde die Firma  1896 in die "Lanker Celluloidfabrik GmbH" umgewandelt. In Krefeld soll es zu dieser Zeit ebenfalls ein Celluloidwerk gegeben haben.

In den folgenden Jahren expandierte die Firma ständig. Fast in jedem Jahr wurde die Anlage baulich erweitert. Betrug das Grundkapital 1896 noch 200.000 Mark, so war es 1901  schon auf 550.000 Mark erhöht worden.

Von 1908 bis 1910 scheint das Werk stillgelegen zu haben, bis dann eine neue Firma "Düsseldorfer Celluloidfabrik GmbH", für die Dr. E. van Kerckhoff verantwortlich  zeichnet, den Betrieb weiterführt und auch weiter investiert.

Im Jahre 1912 wird dann der heute unter Denkmalschutz stehende Wasserturm errichtet.

Axel Föhl, Mitarbeiter des Rheinischen Amtes für Denkmalpflege, setzt sich 1983 in einem Aufsatz in dem Düsseldorfer Magazin "Überblick" dafür ein, aus dem Werk ein  Industrie- museum zu machen, in dem weiterhin Celluloid produziert werden soll. Dieser Vorschlag ist sicher reizvoll, da sich die Produktionsanlagen weitgehend noch in dem Zustand befinden, in dem sie zur  Hochzeit des Celluloids installiert wurden. Die älteste noch existierende Plastikfabrik Deutschlands und dazu noch in Betrieb: das wäre schon eine kleine Attraktion. Die alten Maschinen noch erhalten, die  sheddachgedeckten Fabrikhallen, das ganze nostalgische Ambiente bis zu einem Kontor mit Stehpult: die über Jahrzehnte unterbliebene Modernisierung würde sich bei einem Industriemuseum am Ende noch gelohnt haben.

Doch ist das alles eine Rechnung, die ohne den Wirt, d.h. die Eigentümer, gemacht wurde. Die haben nämlich mit dem Gelände andere Absichten. Es soll möglichst Bauzwecken  zugeführt werden.

Die Stadt Meerbusch zeigt keine Eile, da es im Augenblick genügend Baugelände im Raum Lank gibt. Die Aufstellung eines Bebauungsplanes wurde vor vier Jahren auch storniert, als  die Eigentümer es ablehnten, für die Restbelegschaft einen Sozialplan aufzustellen. Sollte für die Fabrikgebäude der Denkmalstatus reklamiert werden, so müsste das Rheinische Amt für Denkmalpflege hier ein  klares Wort sprechen. Die Stadt Meerbusch als Untere Denkmalbehörde wäre bei der Feststellung wie auch bei den Folgekosten überfordert.

Zum Glück steht aber bereits der Wasserturm, der zur Ortssilhouette von Lank-Latum gehört unter Denkmalschutz. Über die Fabrikationsanlagen der wahrscheinlich ältesten noch  erhaltenen Kunststofffabrik Deutschlands ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Auch die Geschichte der Westdeutschen Celluloidwerke muß noch geschrieben werden.

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